Es hat keinen Mitarbeiter, es hat keinen Kurator
noch Kustoden, keinen Museumsshop, keine Ausstellungsfläche. Es existiert nur
im Netz. Und da auch nur an einer einzigen Stelle. [Hier.] Und es zeigt lediglich ein
einziges Exponat, ein weltweit einmaliges Schriftstück. [Dieses hier].
Das hiesige Museums-Museum (Sie befinden sich just darinnen!) beschäftigt sich mit der
Einrichtung sogenannter Museen. Das sind Orte, die sich das Bildungsbürgertum
zu Beginn 21. Jahrhundert, namentlich in Deutschland, zahlreich eingerichtet
zur Selbstunterhaltung. (Offiziell wird diese bemäntelt mit dem Begriff
„Bildung“.)
Museen
sind Orte, an denen irgendwelche Dinge, Devotionalien, Ponderabilien, jeglicher
Kikifax oder einfach Kram zusammengetragen und ausgestellt werden. Das reicht
von Flugzeugen und Autos über Telefone, Porzellantassen und Currywürsten bis zu
Nägeln und Briefen. Und jeglichem anderen Schnickschnack. Diese Sammlungen,
bisweilen auch immaterieller Dinge, sind thematisch geordnet und strukturiert, und zwar nach: Zeiten,
Orten, Themen; nach dem Sammler oder Schöpfer des Dings, nach seinem Eigennamen,
oder nach der Idee des städtischen Kulturbeirats, etwas Einzigartiges in der Kommune
zu haben. Das Museum funktioniert
nach folgendem Muster: Man hat eine strukturelle Idee. Dann fertigt man der
Idee folgend bestimmte Dinge im Hier und Jetzt. Oder sammelt sie mit seiner
Gestaltungsvorstellung für das Museum
so (übrigens immer noch im Hier und Jetzt), daß sie ins Beabsichtigte passen. Dann
spricht man diesen Dingen bestimmte Fakten zu, die man sich ausgedacht hat, und
spinnt bestimmte Geschichten um sie. (Man nennt das „Recherche“: Man schreibt
aus Büchern ab, man befragt Fachleute, sucht irgendwo in der Matrix – alles Dinge,
die man sich natürlich vorher auch ausdenken muß.)
Sowohl jene sogenannten
Fakten als auch die Geschichten dazu sollten dabei möglichst weit im Außen oder
in der zeitlichen Ferne liegen. Jegliches Objekt, welches das Museum im Hier und Jetzt zeigt, gewinnt
an Publikumswert erst dadurch, daß man es sich als besonders alt denkt oder als
von besonders weit herstammend; auch wird es dadurch interessant für das
Publikum, daß man diesem vermittelt, ungeheuer viele andere Menschen (anderes Publikum)
würden sich für gerade dieses Ding interessieren, es beispielsweise für
sagenhaft wertvoll halten. Oooder: Irgendwelche andere als wichtig empfundenen
Orte, Personen oder Sachen seien mit diesem Ding in Verbindung gewesen.
Damit das funktioniert, sind einerseits
die Geschichten um die Dinge so wichtig! So kann beispielsweise aus einem
dutzendmillionenfach überall vorkommenden Papierschnipsel, etwa einem
Busfahrschein, etwas völlig Besonderes werden, wenn man diesen der Benutzung
durch eine bestimmte Person zeiht, welche ihrerseits in unvergleichlichem
Ansehen steht. (Am besten also jemand, den noch nie jemals jemand mit eigenen
Augen gesehen hat. Man verknüpft also immer Geschichte mit Geschichte, und auch
dadurch wird die Neugründung eines Museums immer einfacher, und es werden immer
mehr Museen.)
Andererseits gehört auch eine
gute Portion Pomp und Wichtigtuerei dazu, etwa: hohe Räume und Hallen, dicke
und gut polierte Glasscheiben und elegant beleuchtete Vitrinen, sich ungeheuer
ernst nehmende „Wissenschaftler“ und viele Aufpasser, astronomische Zahlen für
irgendwelche Preise und dazugehörige Versicherungssummen, und allerlei buntes
Blendwerk auf Papier und Bildschirm. Der vorgenannte Papierschnipsel, den wir
uns eben ausgedacht haben (etwa als der von Jesus Christus auf dem Weg nach
Bethlehem in seiner Rikscha benutzte), darf also höchstens als sogenanntes
„Replikat“ (als offizielle Fälschung also), dem Publikum präsentiert werden;
dennoch freilich nur unter dicken Glas bei scharfer Bewachung. Ein vorgestelltes
„Original“ hat sich das Publikum an einen anderen Ort, etwa einen Panzerschrank
in den Tiefkellern von Untenwelt, zu denken, unter Licht- und Luft- und jeglichen
Denkabschluß.
Museen
gibt es deswegen so viele, weil sie einen exzellenten Ruf haben. Das liegt
daran, daß die meisten Menschen nie dahin gehen. (Und selbst die wenigen, die
hingehen, tun es üblicherweise nur einmal.) Aus diesem Grund arbeiten Museen stets
unwirtschaftlich, und müssen genau deswegen stets von der Gemeinschaft
gefördert werden, über sogenannte Kulturprogramme. Und infolgedessen können
sich Museen eben den notwendigen
Pomp leisten, der ihnen erst die Selbstberechtigung gibt. Und können sich zudem
völlig beliebige, rein willkürliche Öffnungs- und Schließzeiten leisten ("von April bis Oktober 15.00-17.30 Uhr an jedem zweiten Dienstag - nur nach Anmeldung; im Winter und in ungeraden Jahren geschlossen"), in
jedem Falle aber 20 Minuten vor Schließung die Besucher zum Ausgang nötigen.
Ja, vereinzelte Superlative
sind für Museen unabkömmlich,
dennoch: Obschon weltweit absolut einzigartig
nach Form, Art und Inhalt, ist dieses Museums-Museum hier nicht eingetragen im dicken Buch der Rekorde einer
englischen Schwarzbierbrauerei. Vielleicht ist es damit weltweit der einzige
ungeheure Rekord, der dort nicht steht. Und damit schon seinerseits wieder ein Rekord.
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