19. Oktober 2020

[Gedicht] Die Erfindung der Nachricht

 

Der Journalist oder
(Die Erfindung der Nachricht)

 

Es war so anno Sechzehnzwanzig

als sich ein schlauer Mann gedacht:

'Sei dieser Händel auch schon ranzig

und jener Streit längst abgeflacht -

ich schreib was drüber, lass es drucken:

dann liest es der, der nicht konnt gucken.

Schreib schlicht dazu: 'Ich war dabei!';

vorbei ist's eh, drum einerlei!

Damit es immer lesvergnüglich,

mach´s niemals flach ich, dafür hüglig.

Wo nur ein Rehlein war, da füg ich

zwei Sau'n dazu, und mach's anzüglich.

Wo's Dauer hat, schreib "unverzüglich"

ich; falls faltig dadurch, na, da büg'l ich!"

 

Damit den Taler keiner schonte

und sich die Sache tüchtig lohnte

schenkt er dafür den reinsten Wein

vom stolzen Kaufmann hier mit ein –

kam dessen Werbung mit ins Blatt,

der grad den dicksten Beutel hat'.

Der Schultheiß durfte sich hier spreizen,

der Waffenschmied Disput anheizen,

der Narr sich eine Maske kleben,

der Pfaff dazu den Segen geben.

 

So halfen ihm die Eitelkeiten

sein Wochenblättchen zu verbreiten;

er ward bekannt, er gab den Sinn,

und macht mit alledem Gewinn.

Zeitung nannte sich die List.

Und der Mann hieß Journalist.

 

Produktschau, Plagen, Pein und Zwist,

Pamphlete, Predigt, Possen, Mist –

der Leser nun, der all das frißt,

sitzt stille da, spürt fast den Wind,

glaubt ihn zu sehen, völlig blind.

Ich sag Dir jetzt, mein Freund, wer's ist,

(nun denke mit, hör traulich zu!)

mein lieber Freund, der Mann bist DU.

Der Mann, der schreibt (hör nochmal traulich!),

der Schreiberling, mein Freund, bin ICH!

Was Du nicht siehst und kannst nie sichten,

ich werde Dir davon berichten!

Du darfst Dich bitte mir nach richten.

Je wüster meine Wortgeschichten,

je mehr Dein urteil´n und Dein richten.

Ich zeig Dir was, ich schreib Dir vor:

Du schreibst mir nach – Du tumber Tor!