
Tun Sie das keinesfalls! Schon allein der Gedanke ist grob fahrlässig und
so gut wie strafbewehrt. Fahren Sie allenfalls bis Brandenburg. Höchstens!
Schon in Pommern laufen bekanntlich die ersten, uniformgeklonten Staats-Chinesen rum. Von dem, was erst noch dahinter kommt, Richtung Russland,
muß man schweigen. Schwarze Roggenmuhmen ohne Schädel, pechtriefende Kristallskelette und hintersibirische Sturmtrolle, die alles
lebendig zerfetzen, was sich bewegt. Und das sind noch die harmloseren
Kreaturen.
Damit Sie sich nicht in Lebensgefahr begeben müssen, sondern weiter
gemütlich den Gehsteig vor Ihrem Reihenhausvorgärtchen in Eselkamp-Diekerort auf Hochglanz bohnern
können, bin ich für Sie hingefahren. In ein Land der ehemaligen Sowjetunion! SOWJETUNION!
(Vater, vergib mir meine Sünden!) Nach Lettland, um Himmels Willen! Daß dieser
gottlose Streifen Land ehemals kommunistisch war, ja, was sag ich:
bolschewistisch!, ist noch weitaus nicht das Schlimmste. Viel schlimmer: Dort
leben nicht wenige RUSSEN. Und diese Untersprache, Russisch, dieses
Halbmenschen-Nuschelgekrächze ist sogar im öffentlichen Raum verbreitet, fast
gleichberechtigt neben Lettisch. Also: Ich warne Sie nochmals - fahren Sie nie
dahin. Und waschen Sie sich nach dem Lesen meines Berichts, so sie überhaupt wagemutig und unvernünftig genug sind, hier nicht abzubrechen, bitte gründlichst
Ihre Augen. Anschließend desinfizieren.
Lettland liegt hinter Litauen,
und Litauen liegt hinter Polen. (Polen, ja, nun … das ist so ein schwer definierbares
Gebilde östlich von Sachsen.) Bis Litauen hinein, bis zur Memel, gibt es noch
Wege, Straßen, schöne und ruhige Natur, elegante Herrensitze, nicht selten elegant moosknorzig angewittert. Kein Wunder, das war ja auch mal Teil des Deutschen
Reichs. Vor langer Zeit. Vereinzelt laufen hier sogar Menschen rum. Aber dann!
Oh weh. Es sind ja nur noch rund 50 Kilometer von Klaipeda bis Lettland, ein
guter Tagesmarsch. Und die Grenze ist nicht mal irgendwie gesichert; nichts,
gar nichts! Nicht mal ein 2,50 Meter hoher Stacheldrahtzaun wie ums russische
Ostpreußen oder von Polen nach Weißrussland hin, mit Warnschildern und
strammwacher Grenzpolizei. Entsetzlich liegt diese Ostflanke unseres geliebten und
gebeutelten Kontinents bloß und blank, und wenn man nicht höllisch aufpaßt, ist
man unversehens drin. Bei Hunnen und Mongolen! Und dann Gnade dem braven Deutschen Gott! Denn es gibt nahezu nichts dort, was human und
zivilisiert ist, geschweige denn irgendetwas Lebenswertes.

Es gibt keine Schilder. Keine
Warnschilder, keine Gebots- oder Verbotsschilder, keine Hinweistafeln, weder
Barrieren noch Zäune noch Schranken noch Absperrungen. Können Sie sich diesen Wahnsinn
vorstellen? Natürlich nicht! Man kann einfach so irgendwo bis an Meer
ranfahren, völlig ungeschützt und ohne mehrfache Vorwarnung, kann einfach so
parken, wo man will, und muß nicht mal was bezahlen. Feldweg, Waldsaum, Sandwendestelle, Düne und Strand. Die spinnen, die Letten! Man
kann ans Ufer gehen und ins Meer latschen, ohne Strandgebühr zu berappen. Einfach so. Und völlig allein. Niemand beschützt einen, niemand kümmert
sich um Ihr Wohlergehen, niemand sorgt sich um Ihre Gesundheit, bewahrt oder warnt
Sie wenigstens vor möglichem Sonnenstich oder vorm Ertrinken. Das Meer ist
einfach so offen für jedermann, Frauen und Kinder eingeschlossen! Ob mit Wellen
oder ohne, bei Wind und Wetter. Absolut unverantwortlich! Und dann gibt es hier
und dort verlassene Orte, alte und halbeingestürzte Bunker, aufgegebene Villen
oder ungenutztes Hafengelände, und nirgendwo ist was gesichert. Man kann
drin herumspazieren wie es einem paßt und in
die unendlichen Finsterhöhlen von Untenwelt und den Hades schauen. Selbst die
kleinsten Hinweisplaketten sind extrem selten. Wenigstens sind sie dann viersprachig: Lettisch, Deutsch, Russisch (igitt!), und zum Glück für uns Deutsche
auch Englisch.

Denken Sie nun bloß nicht, das
wäre das Fatalste. Das war erst der Anfang. Es kommt noch viel dicker! Es gib
in diesem Land, jenseits jeder Zivilisation und Menschlichkeit, nahezu keine
Reklametafeln! Jawohl, sie haben richtig gehört. KEINE REKLAMETAFELN! Man merkt
es nicht gleich, aber schon nach kurzer Zeit schleicht sich so ein unbehagliches
Gefühl ein, das zu hämmernden Kopfschmerzen führt, bevor man in kahles Entsetzen verfällt. Essentielle geistige Mangelernährung ist noch das
Harmloseste, was einem dabei widerfährt. Wahrscheinlicher sind Gehirnmumps, Hornhautröteln und Blaßschwarzer Ohrenschnupfen, zumindest bei weniger hartgesottenen, westlicheren Naturen. Bis hin zu Seelenkrebs.
Ich will Sie nicht zu lange
strapazieren und das Unheil in jeder Tünche ausmalen. Machen wir´s besser kurz,
ich zähle einfach mal auf, was es alles nicht gibt von dem, was das Leben so
lebenswert, ja: überhaupt erst erträglich macht. Und von dem wir, Gott sei´s gepriesen,
in unserem heiligen Vaterland so reichlich haben: Keine Weltoffenheit, keine
Kopftücher und keine Neger. Keine Menschen aus Mikro-, Rhodo- und Tunesien, weder Penner noch Punker
noch Antifanten - nur und ausschließlich Eingeborene, zuzüglich zwei Fünftel Handvoll Verwegener wie mir und meiner lebensmüden Gefährtin. Sogar viele Kinder, die
einfach so auf der Straße oder im Garten, im Hafen oder sonstwo spielen.
Selbstverständlich völlig unbewacht, jeglichem Wildriß und jeder Naturkatastrophe bar ausgesetzt.
Es gibt fast keine Parkuhren und
fast keine Polizisten, es gibt keine Radarfallen; es gibt keine die Modernität
eines prosperierenden Landes (wie beispielsweise unseres)
widerspiegelnden Industriegebiete oder ausgedehnte Gewerbegebiete, die sich
anheimelnd zwischen den Ortschaften an die Straßen schmiegen. (Was Wunder - es gibt ja auch kaum Straßen.) Keine Windräder!
Man fühlt sich völlig verloren und orientierungslos. Und obwohl es auch kaum
Wasserkraft gibt in so einem flachen und fürchterlich rückständigen Land, nahezu
keine Solarflächen und nicht mal ein Atomkraftwerk, gibt es doch, höre und staune!, genug Strom. Allerdings fast unbezahlbar: Knapp 6 Cent pro
Kilowattstunde! Irre. (Ich nehme an, sie klauen ihn irgendwo heimlich im
Ausland.)
Von einer Tankstelle bis zu nächsten können es bis zu satten 30
Kilometer sein! Es gibt so gut wie keine Großbank-Ketten und überlebensnotwendigen
Geschäfte wie „New Yorker“, „H&M“ oder „McDonalds“, nicht „Lidl“ noch „Penny“
noch „Kaufland“. Nicht die Spur von Kultur! Um zu überleben, muß man entweder
in eine historische Markthalle aus dem 19. Jahrhundert im erbärmlichen Jugendstil
gehen, man denke!, und direkt vom Stand bei einem dahinter stehenden
Ureinwohner mit Händen und Gesicht kaufen,
oder – fast noch schlimmer – in einem der einheimischen
Supermärkte Erzeugnisse erwerben; größtenteils freilich nur lokale und
regionale. Ohne TÜV-Prüfung, ohne deutsches Reinheitsgebot, und womöglich sogar
mit Spuren von Sesam oder Nüssen. Ist das nicht w-i-d-e-r-l-i-c-h?!

Entschuldigen Sie, jetzt muß ich
doch mal ins Detail gehen, daß bin ich meiner journalistischen Dokumentationspflicht
und der Verantwortung meinen Lesern gegenüber wahrlich schuldig – schließlich weiß ich
noch, was es heißt, Mensch und ordnungsliebender Deutscher zu sein. Sie können doch
dort ernstlich eines der zahlreichen, vielfältigen und völlig ungenormten
Backteilchen oder Eklērs aus was-weiß-ich für einer örtlichen Bäckerei kaufen, ohne den
kleinsten Hinweis darauf, was da alles drin ist, oder auch nur die winzigste
Liste darüber, was darinnen fehlt? Ob vegetarisch oder vegan, ob mit Gluten
oder Zuckeraustauschstoffen, ob fettreduziert oder laktosefrei, ob das Mehl von
freilaufenden Kühen oder die

Butter von Bioblumen stammt, thunfischfreundlich gefangen und mit gesunder Mikroplastik angereichert ist? Nichts! Überhaupt
nichts! Und von Gentechnik scheinen die überhaupt noch nie was gehört zu haben,
völlig unverantwortlich. Hygiene: Null! Allem Anschein nach stammt hier
überhaupt kein Lebensmittel einwandfrei von BASF oder Monsanto. Der Fisch, der
hier von kleinen Kutterbooten gefangen und zweifellos ohne jede Brüsseler Lebensmittelkontrolle
anschließend am Morgen an den Markständen verkauft wird, stammt offenbar direkt
aus der Ostsee vor der Haustür! Also dann lieber verhungern, wenn sie mich
fragen.

Nein, jetzt muß ich auch
weitermachen. Einmal Angefangenes muß sauber zu Ende gebracht werden, des
liederlichen Undeutschtums soll mich wahrlich keiner zeihen! Es gibt weder freundliche
Körperbemalung oder eleganten Schmuck wie Körperstempel oder Metallringe durch
die Nasenflügel: die Frauen und Männer laufen hier fast noch ungeschminkt rum,
regelrecht natürlich. Die Frauen teilweise sogar mit Kleidern und Röcken, geradezu
wie im vorvorletzten Jahrhundert. Es ist abstoßend.
Habe ich Frauen und Männer gesagt? Ja, Sie haben richtig gehört, und ich muß es leider
sagen: Es gibt hier nur Frauen und Männer, und, schlimmer noch, sie wollen
das sogar auch selbst sein. Nicht die Spur von Transsexualität, und im ganzen
Land nicht der Zipfel einer Regenbogenfahne. Man muß wohl annehmen (und ich
schaudere, es auszusprechen): Schwule, lebensfrohe Andersartige und Menschen
mit jeglichem Hintergrund werden hier in irgendwelche Lager und Getthos
verbannt. (Weit draußen versteckt in der Ödnis und furchtbar vor jeder
Öffentlichkeit abgetrennt – ich konnte wirklich kein einziges entdecken.)
Ja,
doch, Fahnen gibt es. Lettische Fahnen! Chauvinistischer Rassismus vom
Schlimmsten. Wir kann nur so ein Land voller augenscheinlicher Nazis in unserer
schönen EU sein?

Ich will noch ein letztes
Beispiel aufzählen für Abgeschmacktes und Untermenschentum: Ich konnte in
Libau, einer Hafenstadt, die heute Liepaja heißt, weder ein einziges Gebäude im
zeitgenössischen und einzig lebenswerten Bauhaus-Stil entdecken, quadratisch,
praktisch und mit Unterflurgarage. Schicker Beton, farbenfohes Abstraktgrafitti?
Fehlanzeige, selbst in einer der größten Kommunen das Landes! (Doch, halt, an
einer Fassade gibt es eines! Hausgroß, erkennbar sinnbehaftet und mit
surrealistischen Einflüsterungen. Der reinste Riesenkitsch. Prompt als Sehenswürdigkeit verzeichnet. Postmoderner
Kunstgenuß der gedankenleeren Geistfreiheit hat sich offenbar hierher noch nie
verirrt.) Dafür menschenunwürdige, voll abstoßendem und geschichtstriefendem
Konservatismus strotzende Backsteinbauten von Anno dunnemals, Holzhäuschen von
Fischern und Urwaldläufern, und kein einziges, irgendein Maß übersteigendes
Gebäude; dafür herkömmliche Bürgerhäuser



aus Zaren- oder Bismarckzeiten und
danach. Eine gewaltige, eiserne Hafen-Drehbrücke von 1903 mit naivmalerischen Ornamentleuchten und Holzbeplankung, selbstverständlich
ohne Denkmalschutzzeichen oder wenigstens gebührender Absperrung: denn sie ist
nach wie vor in Betrieb. (Ohne jeden Zweifel jeglicher rheinländischen TÜV-Prüfung
entbehrend.) Wenigstens auf der anderen, fernen Stadtseite, jenseits des
Flusses, plattenbauähnliche, vielstöckige Weißziegelgebäude, hinreichend
runtergekommen – im alten, ehemals sowjetischen Kriegshafen-Viertel.

Doch, halt: Wenigstens ein
einziges, die bessere Neuzeit zumindest zart streifendes Gebäude: Die Konzerthalle!
Direkt am kleinen, innerstädtischen Jachthafen. Architektonisch allerdings
äußerst einfallslos einen riesigen, formlosen Bernstein andeutend, und zu allem
Überfluß auch noch orange. Meine Güte, hätten die hiesigen Plebejerstämme denn nicht
wenigstens einen australischen, britischen oder wenigstens deutschen Baukünstler
aus Hannover engagieren können?! Ausgerechnet Bernstein ist doch nun wirklich
sowas von ortstypisch und spießig! Haben sie denn etwa keine EU-Fördermittel für
diesen Möchtegern-Kulturbunker genutzt, die wenigstens das erheischt hätten? Dann wäre der Bombastbau zumindest mit rostigem
Eisen oder glasverspiegeltem Estrich verblendet, oder strahlte in weltoffenem, nacktem
Sichtbeton, leidlich rechtwinklig oder zumindest geplant unförmig! Aber nein, er sieht geradezu organisch aus, lokalpiefig
und muffig nationalegozentrisch.
Aber kein Wunder, in den zahlreichen Cafés,
die ebenso weltabgewandt mit hiesigem Krempel aus Babuschkas Zeiten
vollgestopft sind, dürfen ja sogar noch Russen ohne jede Kenntlichmachung frei
rumlaufen und sich amüsieren. Und was die Geschichtsschreibung betrifft: Daß irgendwann mal Baltendeutsche und
hernach Nazi-Besatzungstruppen das Land über Jahrhunderte völlig verwüstet
haben und es erst die ruhmreiche Sowjetunion und fleißige Widerstandskämpfer liebevoll
befreiten und zumindest besiedelten, nein, davon wissen sie, diese geschichtsklitternden Ahnungslosen
ihres eigenen Heimatlandes, offenbar auch allzuwenig, ausweislich sogenannter "Touristenführer".
Genug! Fahren Sie niemals in
dieses Land kurz vor der kasachischen Steppe! Öde, leer und rückwärtsgewandt. Programmierte Nervenschmerzen und
Neuzeitpein, brandmalende Fährnisse allerorten.

Wenn Sie unbedingt an die Ostsee wollen, herrje, empfehle ich
Ihnen Kühlungsborn, oder noch besser Heiligendamm. Sauber, gepflegt, ordentlich
und rein; nicht ganz billig, dafür seinen Preis zweifellos wert.
Funkelnagelneue, schneeweiße Hotels und angenehm sterile
Urlauberhäuschensiedlungen, in enger Nachbarschaft zueinander und mit gesprächigen
Landsleuten, ordentlich bezahlten Toiletten und vernünftig quadratierten
Parkflächen davor, mit übersichtlichen Zeltplätzchen und korrekt maßeingepaßten
Sand- und Strandkarrees plus handtuchreservierbarer Sonnenburg. Mit abgetrenntem Hundestrand und kostenlosen Hundebeutelspender. Mit
Sanddornhonig und Sanddornkonfitüre, Sanddorneis und Sanddorn-Hautcremes von
Yves Saint-Laures. Mit ehrlichem Lübzer und Rostocker Pils. Da weiß man wenigstens, was
drin ist! Halleluja.