17. September 2019

[Betrachtung] Das unmögliche Bielefeld

Warum Bielefeld nicht existiert -
außer in den Köpfen mancher Zeitgenossen



Verschwörungstheorie hin, gegenläufige Vermarktungstheorie her: In diesem kurzen Traktat wird im ersten Teil zweifelsfrei bewiesen, daß es keinen endgültigen Beweis für die Existenz einer Stadt namens Bielefeld geben kann; und im zweiten, daß dies ein starker Hinweis auf die tatsächliche Nichtexistenz Bielefelds ist – zumindest stärker als alle auf das Gegenteil deutenden Anzeichen. Und zuletzt eine weltliche Schlußfolgerung aus diesem Umstand gezogen. 

Erster Teil – unachtsame Wahrnehmungen:

Es steht vollkommen außer Frage, daß es Menschen gibt, die völlig davon überzeugt sind, in Bielefeld zu wohnen und zu arbeiten, da geboren zu sein, und wiederum andere, welche zu wissen glauben, die Stadt bereits durchfahren oder bereist zu haben, sie von Ortschildern oder zumindest aus den Medien zu kennen: durch Filme, Dokumentationen, Berichte. Und, natürlich!, es gibt Landkarten und Atlanten, auf denen Punkte verzeichnet sind, die Bielefeld darstellen (sollen). All diese Menschen – jeder einzelne! – schwörte jedoch einen Meineid, würde er bspw. vor dem Höchsten Gericht beschwören müssen, die Stadt je gesehen zu haben (oder da zu wohnen, zu arbeiten, sich aufzuhalten). Kein Mensch hat die Stadt je als Ganzes gesehen! Was man sehen kann, sind einzelne Straßen und Häuser, mal ein Kino oder eine Gaststätte, eine Schule oder ein paar Fabriken. Schon dabei, bei einem einzelnen Geschäft etwa, fehlten die Innen- und Rückansichten: Keller, Wohnungen, Dachstube usw. Stets muß man sich den Rest jeweils dazu ausdenken oder glauben – und das tut man meist auch völlig automatisch und ohne Unsicherheiten. Einem Beweis genügt dieser Glaube indes nicht – es könnten ja auch jeweils nur Kulissenwände sein! Auch setzt sich die Gesamtheit einer wirklichen, realen Stadt – die nicht nur Filmstadt etwa ist – aus dem gleichzeitigen Vorhandensein von mater-iellen wie nichtmateriellen Dingen zusammen: ratternde Straßenbahnen und hitzige Stadtratssitzungen, die Kanalisation, Theatervorstellungen und duftende Grünkohl-Imbißstände, fließendes Wasser und fließender Strom, ein Budget einer Stadtvermarktungsgesellschaft (!), tobende Schulkinder und schnarchende Dachse im Tierpark usw. usf. All dies kann ein einzelner Mensch nie gleichzeitig erfassen und also in seinem wirklichen Vorhandensein beweisen.

Nun mag jemand einwenden, er habe Bielefeld schon aus der Luft beim Überfliegen gesehen oder von einem Aussichtspunkt im  Teutoburger Wald. Kann er nach der Landung oder dem Abstieg beweisen, daß es wirklich diese Stadt war, die man ihm gezeigt hat? Und hätte er denn viel mehr gesehen als Dächer und Schornsteine? Von Krankenhäusern und Kneipen auch die Kranken und die Kellner darinnen, die Keller darunter und die Kanäle? Natürlich nicht. Es könnten wiederum Potemkinsche Fassaden gewesen sein. Nur der Umstand, ganz viele andere Menschen glauben und behaupten dabei immer wieder und ganz fest, es sei ganz gewiß Bielefeld, beweist nichts. Man denke auch an den Film „Die Truman-Show“, in welchem dem Protagonisten die Existenz einer ganzen Stadt mit allem Drum und Dran vorgegaukelt wird, selbstverständlich inklusive aller darin lebenden Personen (die in Wahrheit instruiert sind).

-> Kurzer Einschub für Obrigkeitsfanatiker: Wenn niemand jemals die Stadt gesehen hat als Ganzes, kann natürlich auch niemand einem anderen bescheinigen, dort zu wohnen oder aufgewachsen zu sein usw. Freilich sind damit auch alle amtlichen Dokumente, die heute existieren (gleich aus welcher Zeit), obsolet – sie beziehen sich stets nur auf andere Dokumente oder angebliche Zeugen, von denen aber wiede-rum die erste Quelle – also die wahre Ursache – fehlt: Nämlich jemand, der die Stadt zweifelsfrei wirklich als Ganzes gesehen hätte. Unwiderlegbar!


Zweiter Teil – Alles ist nur Glaube. 



Jedem steht es frei, an Götter, Engel, Dämonen oder Pflanzengeister zu glauben. Kinder glauben an den Weihnachtsmann. Christen glauben an Jesus, Moslems an Mohammed, Esoteriker an das Universum, mancher nur an sich selbst und viele an alles Mögliche, was andere erzählen. (Alle zusammen glauben an das Geld.) Wissenschaftler und die meisten heutigen Zeitgenossen glauben an den Urknall und von ihnen unabhängige, außerhalb liegende Materie [1]. Mancher glaubt genauso fest, daß beispielsweise Stuttgart oder Erfurt existiert, weil er da lebt – auch dieses vermeintliche Wissen beruht auf der gleichen Unachtsamkeit wie im Falle Bielefelds, aber darum geht es hier ja nicht: Denn die wahrhaftige Existenz von Erfurt oder Stuttgart ist, zumindest bisher, nie in Zweifel gezogen worden.

Kein ernstzunehmender Mensch – Philosoph oder Physiker, Geistes- oder Naturwissenschaftler also  – käme aber auf den Gedanken, mehr als zum Spaß die Existenz von etwas anzunehmen (gar, es beweisen zu wollen), das kein Mensch je mit eigenen Augen gesehen hat! Gewiß, viele Physiker glauben beispielsweise an einen Teilchenzoo oder Biophotonen; einige Kunsthistoriker glauben an die Echtheit gewisser Skulpturen aus der Romanik (aber doch nur anhand des Vergleichs mit anderen Skulpturen, deren Alter man kennt oder zu kennen glaubt); Astronomen glauben unerschütterlich, unsere Sonne bestünde überwiegend aus Helium. All das bleiben (vorläufige) Denkmodelle und Theorien, die lediglich den Sinn haben, die Welt erklärbar zu machen und prompt ihren Wert beim Erscheinen besserer Modelle verlieren – laut allgemein gültiger Wissenschaftstheorie. Es geht hier streng genommen nie um Beweise, sondern (ggfs. triftige) Annahmen.

Beweisen kann man nur, was hier und jetzt da ist: Greifbar, sichtbar. Dieses Traktat hier beweist sich beispielsweise in seinem schlichten Vorhandensein gerade selbst, während es gelesen wird – denn es ist offenkundig da: sichtbar und begreifbar, hier und jetzt. Was kurios klingt, ist der hintergründige Konsens aller Naturwissenschaft: Erst die materielle Existenz, die Sicht- und Greifbarkeit einer Er-scheinung, ist der endgültige Beweis für eine Sache. Schmerzen und Liebe kann man (naturwissenschaftlich) nicht beweisen – auch wenn noch so viele Bücher darüber geschrieben wurden, Filme gedreht, Gedanken gedacht, und quasi alle Menschen deren Wirkungen allzu gut kennen.


Das Vorhandensein Bielefelds wird also allenfalls aus einigen Zeichen, die auf dessen Vorhandensein hindeuten, und dem Glauben vieler Menschen abgeleitet. Das reicht nicht, denn dann wäre auch Gott bewiesen, wäre das Ungeheuer Nessi bewiesen, wäre Schneewittchen bewiesen. (Es gibt unzählige Filme, Bücher, Geschichten über Schneewittchen, es gibt Menschen, die schon Schneewittchen leibhaftig gesehen haben (auf der Bühne oder im Fasching), es gibt Menschen, die so heißen (im Internet auf Partnerbörsen), und es gibt vermutlich welche, die glauben, Schneewittchen selbst zu sein: Alles kein Beweis!


Fazit: Bielefeld kann in seiner Gesamtheit – siehe Teil eins – als Stadt nicht bewiesen werden [2] und man muß daher und demnach gerade nach heutigem, allgemein anerkannten naturwissenschaftlichen, kartesischem Weltbild davon ausgehen, daß es nicht existiert. Die gegenteilige Ableitung – wenngleich weit verbreitet und einigen weltlich nützlich – entbehrt logischen und anerkannten Grundlagen. Quod erat demonstrandum.













  


[1] All das glaubt zumindest der Urheber dieser Zeilen.
[2] Es wurde schon angemerkt: Ebensowenig wie alle anderen Städte auch.