6. November 2020

23. Oktober 2020

19. Oktober 2020

[Politsatire] Propaganda einst & jetzt


 

[Gedicht] Die Erfindung der Nachricht

 

Der Journalist oder
(Die Erfindung der Nachricht)

 

Es war so anno Sechzehnzwanzig

als sich ein schlauer Mann gedacht:

'Sei dieser Händel auch schon ranzig

und jener Streit längst abgeflacht -

ich schreib was drüber, lass es drucken:

dann liest es der, der nicht konnt gucken.

Schreib schlicht dazu: 'Ich war dabei!';

vorbei ist's eh, drum einerlei!

Damit es immer lesvergnüglich,

mach´s niemals flach ich, dafür hüglig.

Wo nur ein Rehlein war, da füg ich

zwei Sau'n dazu, und mach's anzüglich.

Wo's Dauer hat, schreib "unverzüglich"

ich; falls faltig dadurch, na, da büg'l ich!"

 

Damit den Taler keiner schonte

und sich die Sache tüchtig lohnte

schenkt er dafür den reinsten Wein

vom stolzen Kaufmann hier mit ein –

kam dessen Werbung mit ins Blatt,

der grad den dicksten Beutel hat'.

Der Schultheiß durfte sich hier spreizen,

der Waffenschmied Disput anheizen,

der Narr sich eine Maske kleben,

der Pfaff dazu den Segen geben.

 

So halfen ihm die Eitelkeiten

sein Wochenblättchen zu verbreiten;

er ward bekannt, er gab den Sinn,

und macht mit alledem Gewinn.

Zeitung nannte sich die List.

Und der Mann hieß Journalist.

 

Produktschau, Plagen, Pein und Zwist,

Pamphlete, Predigt, Possen, Mist –

der Leser nun, der all das frißt,

sitzt stille da, spürt fast den Wind,

glaubt ihn zu sehen, völlig blind.

Ich sag Dir jetzt, mein Freund, wer's ist,

(nun denke mit, hör traulich zu!)

mein lieber Freund, der Mann bist DU.

Der Mann, der schreibt (hör nochmal traulich!),

der Schreiberling, mein Freund, bin ICH!

Was Du nicht siehst und kannst nie sichten,

ich werde Dir davon berichten!

Du darfst Dich bitte mir nach richten.

Je wüster meine Wortgeschichten,

je mehr Dein urteil´n und Dein richten.

Ich zeig Dir was, ich schreib Dir vor:

Du schreibst mir nach – Du tumber Tor!

 


6. Oktober 2020

[Musikpoesie] Der Mond, der Mond ...


                                     (anklicken zum sehen und lauschen!)

[Musikmix/Technofolklore] Ultra3°Brocken~Muggel[BEAT


Ultra3°Brocken~Muggel[BEAT

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1. September 2020

[Betrachtung] Die Uniform

Die Uniform

 
"Mode unterstreicht die Souveränität des Trägers, Uniformen ordnen sich unter."
(Jil Sander)


Sie ist steif. Sie hat blinkende Knöpfe. Sie hat Sternchen und Schulterklappen. Sie hat stets die gleiche Farbe. Warum ist das so – und warum muß das so sein?

Die Uniform macht Menschen uniform. Also einander ähnlich, unterschiedslos. Gleichzeitig gibt sie mit ihrem dicken Stoff Form. Hält ihre Träger in Form. Sie ist ein äußeres Korsett, für Menschen, denen der innere Halt fehlt. (Jungen Menschen also oder solchen, die in diesem Sinne inerlich jung geblieben sind, nämlich keine eigene Haltung entwickelt haben.) Sie ist steif und macht steif, denn sie soll nicht den Gedanken freien Raum lassen und den Körper zum Tanzen verführen, damit die Seele ihren individuellen Ausdruck findet; nein. Sie soll formen und normen, keinen Raum für eigene Gedanken und damit für eigene Persönlichkeit zulassen. Sie soll das Unzähmbare, Wilde, Dunkle eines Menschen beherrschen, sie soll zu Berechenbarkeit und äußerer Haltung zwingen. Und zwar immer gleicher Haltung: aufrechter Haltung, möglichst unbeugsam gegenüber menschlichen Anwandlungen der Person.
Denn ihr Träger ist keine einzeln handelnde Person mehr, sondern Teil eines größeren Organismus. Nein, kein Organismus: Denn der Organismus lebt von seinen einzelnen Zellen, er ist der Verbund der Zellen, die sich eigens zusammenschließen, um einen höheren Zweck zu erreichen – dieser höhere Zweck wiederum dient den Zellen (den einzelnen Personen) aber selbst; es gibt deswegen einen steten Austausch untereinander. In unserem Fall (der Uniformierung) handelt es sich um eine Maschine, deren Einzelteile die Rädchen sind. Diese Rädchen nutzen allein nichts, sie dienen allein dem höheren Zweck, der Funktion der Maschine. Die Funktion der Maschine nutzt den Rädchen selbst aber nichts. Und funktionieren die Rädchen nicht, werden sie ersetzt. Für das Rädchen allein gibt es keinen Zweck. Die Maschine ist deswegen tot, sie braucht deswegen auch tote (unveränderliche) Rädchen; der Organismus lebt, er braucht deswegen lebende (sich verändernde) Zellen.

Das Gegenstück zur Uniform ist die quietschbunte Pluderhose, wie sie beispielsweise Hippies zum Tanzen bei Goa-Feten anziehen: Bewegung, Individualität, innere und äußere Freiheit, Luft und Raum – Persönlichkeit, Individualität. (Freilich kann auch eine solche Pluderhose einen kleinen Teil der Funktion übernehmen, der einer Uniform innewohnt: Erkennungszeichen zu sein, Gruppenzugehörigkeit zu signalisieren.)

Mit ihren blinkenden Knöpfen soll die Uniform blenden, Eindruck schinden und Macht verkörpern. Ihren Träger stolz (auf seine neue Nicht-Identität, dafür Amtsverkörperung) und unnahbar machen. Der Stolz zur Zugehörigkeit zu einem größeren Ganzen ersetzt den Verlust der Individualität. Das größere Ganze aber - nochmal - nutzt ihm selbst nichts; jedenfalls nicht zu seiner Entwicklung.

Mit ihren Sternchen und Schulterklappen stellt die Uniform winzige Unterschiede dar in der strengen Hierarchie, in der es nur eine vertikale Ausrichtung gibt: Vom kleinen Rädchen zum großen Rädchen.

Der Mensch, der wirklicher Mensch ist, braucht keine Uniform. Denn er ist ein Unikat, ein einmaliges Wesen, welches sich selbst entdeckt, ausprobiert, wandelt, bald diese und bald jene Form annimmt. Welches lebt, sich bewegt, sind heute windet und krümmt, morgen reckt und streckt, am dritten Tag groß ausschreitet und hüpft, am vierten nackt schwimmt und still in ganz eigener Versenkung sitzt, oder liegt oder schwebt am sechsten. Ein Wesen, welches eine Meinung hat, die keine Anderung ist. Ein Wissen von der Welt und einen daraus resultierenden Glauben hat über die Welt, welches es zu dem macht, was es heute ist. Und morgen zu etwas anderem, denn morgen weiß es mehr. Der Uniformträger aber soll uniform, also gleich sein auch durch die Zeit. Auf ihn muß Verlaß sein, er soll morgen noch genauso funktionieren wie heute. Er soll genauso funktionieren wie die, welche die gleiche Uniform anhaben. Die Uniform ist ein Korsett nicht nur für den Körper, sondern auch für den Geist und die Seele. Sie gibt dem haltlosen Halt, sie gibt dem Formlosen Form – sie gibt jenem äußere Persönlichkeit, dem innere Persönlichkeit fehlt. Die Uniform kann die Macht und den Glanz einer größeren Einheit auf den übertragen, der sie trägt, weil es ihm selbst an persönlicher Macht oder individuellem Glanz fehlt, oder an persönlicher Sinnhaftigkeit.

Das klingt, als würde aus einer Menge solcher uniformloser, vereinzelter Individuen eine wirre Anarchie entstehen? Nein. Der uniformlose, nicht normierte, lebendige Mensch schließt sich dennoch zu größeren Verbünden zusammen, die ihm letztlich auf höherer Ebene selbst nutzen. Er wird also Teil, Zelle eines lebenden Organismus, der als komplexere Struktur auf höherer Ebene zu mehr in der Lage ist als dessen Einzelteile.

Man kann sich, um im Bild des Organismus zu bleiben – beispielsweise eines menschlichen Körpers – die Uniform als die Hornhaut vorstellen. Sie ist tote, abgestorbene Haut: nicht mehr durchblutet, steif, undurchdringlich, schmerzunempfindlich. Sie nutzt sich mangels eigenen Lebendigseins nur noch ab, und wird dann auch abgestoßen, nach dem sie ihre Funktion verloren hat. Sie erneuert sich nicht mehr. Doch die Hornhaut hat auch, auf höherer Ebene betrachtet, einen Nutzen für den gesamten, lebendigen Organismus. Und nur da.