Das Gewand
I.
Matt kritzelt und bläut das Pergament
der trockene Stift. Dann sinken die Händ´.
Es glimmet die Glut, das Holz duftet mild,
es hüllt mich die Wärme; dort draußen stürmt´s wild.
Da prasselt der Regen, es peitschet der Ast;
es fauchet der Wind. Hier Ruhe – dort Hast.
Drin ruh´n die Gedanken und schlummert das Herz. –
Wie´s Schwere grad leicht wird flammt unruhig die Kerz´.
Ein düsterer Meister mit glühendem Blick
stampft draußen durchs Tor mit grausiger Krück!
Es schmerzt mir im Haupte, so still wird´s darin.
Die Zeiger, sie stehen, von Uhr und von Sinn.
Dann poltert die Pforte: „Öffnet! Laßt ein!
Seid nimmer gelitten im widrigen Sein!“
Ich schwanke zur Tür, urgräßlich die Pein.
Ein torfiger Schwall von lebend´ Gebein!
Der Richter der Zeiten im ruhlosen Punsch
des Lebens haucht gnädig: „Dein letzter Wunsch?“
II.
Ich forsche nach Wissen – verwunschen der Tand!
Gepauktes, Gewußtes zerrieseln wie Sand.
Gefühl, liegst auch wund? Unstetiger Schund?
Tust auch mir nichts kund nun zur letzten Stund`?
Adé ... Muß ich weichen zur ewigen Ruh´?
Wer sollt´ sie betrauern: die eicherne Truh´?
Vergossen die Tränen, verflossen das Sehnen;
dahin fällt der Sturmdrang mit wehenden Mähnen.
Vernarbt schon die Ritzen von spitziger Kuf´.
Wes´ Geist konnt´s erhitzen, wenn Paroli geboten,
und „Kontra!“ der Ruf?
Vergilbet die Seiten! Verhallet das Wort!
Verklungen die Saiten! Verlassen der Ort …
III.
Da blitzt der Gedanke durchs müdige Hirn:
Dicht´ selbst die Geschichte, biet´ letztmals die Stirn!
„Laßt mich jene Zeilen noch schreiben zu Ende!
Auf daß man den Schluß auch geschlossen fände.“
Es nickt die Kapuze. Ich eile zum Pult.
Führ´ hastig den Griffel und buhl um Geduld …
IV.
Der Dichter entrücket, das Nachtgeleucht sinkt;
helldämmernd die Feder den Morgen erzwingt.
Neu fliegen die Rosse, ein Reiter mit Schild
im feurigen Wagen: welch kraftvolles Bild!
Die Nebel entfliehen, Vulcano tobt aus
das innerste Leben; ergötze Dich – schau´s!
Gefall´ner schleicht dunkel hinab von der Bühne –
im nächsten Akt ist er schon Hagen, der Hüne.
Im Graben braust´s auf –
wie´s war und gewesen,
was ist und wie´s komme
ist nun hier zu lesen.
V.
Und wie die Feder das erste Mal fällt –
die Glocke schon nach Acht hin schellt –
ist Niemandsfreund weg,
der´s Dasein vergällt!
Allein an der Wand
hängt noch sein Gewand,
als ob sich´s im Zimmer gefällt;
dem Zweifel die Treue hält ...
Mit Hast und voll Argwohn
rauscht´s in den Kamin.
Gebannt
schau ich hin:
Da stieben die Funken und hinauf durch den Schlot
entfleuchet ein Rauchpilz, dann löschet der Kien,
die Scheitkohle sackt, und das Feuer ist tot!
Versuch´s zu zerknüllen, zerfetzen, zerschneiden
das üble Gewirk; und kann´s doch nicht meiden!
Da packt mich die Wut, nun muß ich es wagen:
Ich krempel es auf und pack es am Kragen
und schwing´s mir kühn um!
VI.
Es schlägt mir das Herz, ich fühl mich gesunden;
der Geist wird freier denn je.
Sowie vom Sichtkreis ist verschwunden
der Rock ist ferne jedes Weh.
So hüll ich´s mir enger,
tret´ fest in den Wald.
Von Ferne ein klapperndes
Frieren erschallt.