28. August 2025

[Reportage] Die Enklave in Sachsen

 

 

Das Jahr 2007. Ganz Sachsen gehört zu Sachsen. Ganz Sachsen? Nein! Ein winziges Anwesen mitten im Land leistet erbitterten Widerstand. Mit eigenen Steuern und Pässen und ausländischen Vertretungen. Wer hier wohnt, ist Groß-Mützenauer. Wer hier ein- und ausgeht, gehört zur internationalen Prominenz: mindestens jener der Kabarettszene.

Erster Staatsbürger von Groß-Mützenau ist Matthias Lehmann. Der nämliche ist gleichzeitig der Staatengründer, Regent und Oberbürgermeister sowie Paßbehörde, Finanzamt und Gerichtsbarkeit in Personalunion. Und Wirt. (Der einzige Wirt der einzigen Gaststätte.) Eben diese Gaststätte nebst Hof und Garten stellt samt und sonders das Stadt- und Staatsgebiet Groß-Mützenaus dar. Umgeben von der immerhin freundlich verbundenen Stadt Lunzenau im Muldental, inmitten Mittelsachsens. 

Doch der gewitzte und humorvolle Gasthaus- und Staatenlenker ist nicht der einzige Bürger seiner Enklave. Deren gibt es schon deutlich über 100, und das weit über Mulde und Elbe hinaus. Daneben einen Generalkonsul für die Niederlande und einen in der Schweiz. Auch auf der britischen Mannes-Insel („Isle of Man“) gab es einen Botschafter. Und sogar bis Leipzig bei Markleeberg reichen die offiziellen Verbindungen. Fast in allen Bundesländern wirken Senatoren für die Bürger und Groß-Mützenau, oder umgekehrt. Etwa ein Senator „wider die Unflätigkeit und Unzucht“ oder einer für „Gesundheit und Volkshygiene“. Die Folgen: Vom japanischen bis finnischen Fernsehen, vom Depeschendienst der Deutschen Botschaft in den USA, von thailänd- und honolulischen Flugreiseredaktionen, ja selbst von weniger bekannten Boulevardblättern wie „Spiegel“ oder „Stern“ wurde schon berichtet über die kleine Enklave bei Lunzenau. Sogar die „Freie Presse“, Redaktion Mittweida, war schon da, wo Sachsen jetzt via Groß-Mützenau einen eisfreien Hafen an der Mulde und damit Zugang zu den Weltmeeren hat, über Elbe und Nordsee. Deswegen trägt das Gemeinwesen auch den stolzen Zusatz „Frohe und Hanselstadt“.
  

Lehmann, der gelernte Eisenbahner und (Alltagskunst-)Erfinder, hat noch mehr zu bieten aus dem Schatzkästchen der wunderbaren – wahren oder erfundenen – Geschichten, für die so mancher Sachse weltweit berühmt ist. Er sei der jüngste Fahrdienstleiter der DDR gewesen, mit gerade 18 Lenzen! Gegen Ende ´89. Weil damals in seiner Lehr-Region ganz plötzlich akuter Mangel herrschte (nanu?!) an Reichsbahnern und eingesetzte Kräfte überlastet, mußte der frischgebackene und halbstarke Stellwerker gleich einen ganzen Güterumschlagsbereich ganz stark lenken. Da so was aus bürokratischen, sicherheitsrelevanten und Haftungsgründen heute undenkbar ist (mindestens bis zum nächsten Kriegende), kann man schlußfolgern: Er war der jüngste Fahrdienstleiter Deutschlands, vermutlich Europas, und mit nicht ganz großer Unwahrscheinlichkeit auch der Welt. 

Seiner Liebe zur Schiene entspringt auch das kleine, aber urige Eisenbahnmuseum auf seinem Anwesen. Das hat Lehmann damit fast ganz zum stillgelegten Haltepunkt direkt an der Mulde mit Gleisen und Prellbock und Signal und Hemmschuh und Lok und Draisine und Warnschild und Vorschriften und Fahrscheinselbstverkäufer und Waggonoberbelüftungsdrehluftschieberhäuschen und und und undgest- …  nein, umgestaltet. Und eben derselben Liebe entspringt die Idee, regelmäßig rund um den Globus zu reisen und so ziemlich überall nach Eisenbahnermützen bei Kollegen zu fragen. 


Deren besitzt er nun Aberdutzende, viele in seiner Kneipe unter der Decke hängend zu bestaunen. Und von welchen – seinem aufmerksamem niederländischen Honorarkonsul sei Dank – der Name des sächsischen Gebietseinschlusses stammt: Mützenau. Aber Mützenau klingt banal, so wie Britannien. Was wäre beides ohne das "Groß-" davor? (Gerade enge Länder brauchen etwas zusätzliche Größe.) 
 Geht es etwa um Groß-Mannssucht? Nein, um Kultur und Witz geht es. Deswegen gibt es hier auch nicht etwa das größte Hotel der Welt, sondern das kleinste. Untergebracht in einem Koffer. Das „Kofftel“. (Für maximal zwei Personen gleichzeitig mit höchstens je einer Tasche; plus Außendusche.) Und deswegen veranstaltet der umtriebige Muldentaler vor Ort regelmäßig Lesungen und Ausstellungen weitbekannter Künstler und Kartoonisten. Und zwar solcher Kunstjünger, die man auch über Groß-Mützenau hinaus kennt – wahlweise in München, Hamburg oder Görkwitz. Legendär und weithin aufsehenerregend etwa die im Frühjahr 2017 durchgeführte Vernissage einer nicht unbedeutenden Erfurter Agentur unter dem Titel "Goethes Faustkeil"

Und er gibt sogar ein quartalsweise erscheinendes Amtsblatt seiner Verwaltungseinheit (wir wollen aus politischen Gründen den Begriff IMPERIUM vermeiden) heraus, „Lokpfogel“ genannt. „Pfiffig, pführend und pfolksverbunden“ sei dieses; neben Banalaktuellem zu Land und Leuten, Weltpolitik, Religion und Regionalem wartet die Gazette mit journalistischen Kabinettstückchen auf, die  internationalen Wissenschaftsmagazinen wie „Spektrum der Wissenschaft“ oder "GEO" zur Ehre gereichten: Etwa dem Bericht über die sich langsam wieder stabilisierende Population des seltenen achtbeinigen Hasen (didiplopoda lepus europaeus) in Norddeutschland. Geradezu eine Sensation stellen die in diesem Zusammenhang erstmals veröffentlichten Bilder [Abb. ähnlich] dieses Langohrs und -beins dar - mit denen bisher weder Botaniker oder Naturfotografen von Rang je aufwarten konnten. 


Das Land Sachsen wirbt seit einigen Jahren mit der Kampagne „So geht sächsisch.“ Und hat dabei neuerdings, wie man hört aus gewöhnlich ungewöhnlich gut informierten Kreisen, 


gewisse Ansehensprobleme mit Weilern wie Dresden oder Marktflecken namens Chemnitz; vielleicht geht sächsisch ja so besser: Als Schutzmacht und Exklave um Groß-Mützenau? So oder so ist Groß-Mützenau auch von befreundeten europäischen Nachbarstaaten wie Thüringen aus gut erreichbar, einstweilen noch ohne Visum und Spachbarrieren. Bei der Gelegenheit könnte der geneigte Weltenbummler zudem einen kurzen Abstecher nach Amerika machen, ebenso unbürokratisch, denn der gleichnamige Ort mit Bahnhof im Muldental ist nur eine doppelte Hutlänge entfernt. Ein großmännisches Selfie mit Ortschild wäre es allemal wert. Sowas soll ja neuerdings gerade in der Politik ziemlich gut ankommen, gerade bei Oberlangmützen.



 
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Anmerkung: Der Autor zeichnet für diesen streng sachlichen Beitrag 
einzig in seiner Funktion als völlig wertfreier und unparteiischer Reporter
verantwortlich - keineswegs in seiner rein zufälligen Ehren-Funktion als 
„SENATOR FÜR WORTAKROBATIK AUF GUT DEUTSCH“ 
in Groß-Mützenau]
 

Transparenzhinwweis: Selbstverständlich ist es ebenfalls reinster Zufall, 
daß Matthias Lehmann offizieller Wortpate für das Wort
"Suppenteller" 
bei der weltweit einmaligen Aktion Wortpatenschaft ist.


 





 

 


22. August 2025

[Buchbesprechung] Eco´s ROSE - bloß von Temu

Avignon um 1329. Der alte, aber gerissene französische Bankier und Geschäftsmann Jean von Cahors agiert als Papst Johannes und malträtiert rigoros die gesamte Christenheit – im tödlichen Streit mit dem deutschen Kaiser Ludwig dem Bayer, der unterdessen einen Gegenpapst in Rom einsetzt, wobei sich beide Rivalen gegenseitig als Ketzer ächten. Es geht neben Geld nur um drei Sachen: Macht, Macht und Macht. Spannende historische Kulisse, möchte man meinen! 

--- "DIE SCHWARZE ROSE" - Dirk Schümer (2023) ---

Ach, ach! Keine Seite des Buchs gelesen ohne Frust, und doch bis über die Mitte durchgekämpft – allein das schon rund 300 Seiten. Dabei fühle ich mich dem Autor insofern verbunden, daß auch er sich offenbar von dem Jahrhundertroman Ecos, „Der Name der Rose“, hat durchdringen und umfänglich begeistern lassen! Dessen epochemachendes Werk, weithin bekannt geworden erst durch den unendlich dichteren und erheblich dramatischeren Film gleichen Namens Bernd Eichingers von 1986, nun fortzuführen ist eine fast schon jenseitig großartige Idee. Unbedingt wünschenswert! Doch dafür muß man das Format eines Ecos haben. Und das hat der Autor nicht ansatzweise. Leider! Gewiß steckt in dem anspruchsvollen Werk enorm viel Wissen auf Basis einer gründlichen Geschichtsrecherche, das muß anerkannt werden; und man kann also auch vieles lernen über jene Zeiten – oder das zumindest, was uns die Historiker glauben machen wollen. Doch ein beliebiger Kirchenmusiker ist eben kein Johann Sebastian Bach.

Die neue Rosen-Geschichte trägt einfach nicht. Der Autor versteht es nicht, einen durchgehenden Spannungsbogen aufzuwölben: es bleibt allenfalls streckenweise mäßig spannend. Mord, Totschlag, Verdächtigungen und vermeintliche Furcht von Anfang bis Ende gleichermaßen, dabei keinerlei Klimax. Obwohl der Protagonist an allen Ecken und Enden sogleich zwischen alle Fronten gerät, ihn die schier unglaublichsten Zufälle vom Beginn an als den kleinsten Krümel zwischen die Mühlsteine jeglicher Machtinteressen aller ganz Großen quetscht und er also dauernd bestensfalls um seine körperliche Unversehrteit und sein Seelenheil, schlechtestensfalls um sein Leben fürchten muß (oh Scheiterhaufen, Scheiterhaufen! – Schürmer liebt ihn), bleibt er erstaunlich unbeeindruckt und kühl handelnd. Und dabei farblos und blutarm wie alle anderen Charaktere.  

Es gibt viel zu viel Personal, welches indifferent bleibt, und bei dem jeder Charaker fast auf die gleiche Weise spricht (nein, erstaunlich offenherzig drauflosplappert!) und handelt – ob nun Dominikaner, Franziskaner, Jude, städtischer Bankier oder Krämer, Bauernsohn oder Philister. Ob Franzose, Deutscher, Engländer oder Italiener. Ob jung oder alt. Die Dialoge sind hölzern und meist völlig unrealistisch, weil der Autor seinen Lesern durch seine Handelnden viel zu viel von seinem Geschichtswissen zu erklären versucht. „Wir Italiener …“ Dabei ist sein Grundschema unglaublich simpel: Böse, machtbesessene katholische Kirche und Inquisition samt all ihren Protagonisten dort, alle anderen leidlich passabel hier. Der Papst auf jeder zweiten Seite als angeblich alles kontrollierende Instanz: so wie in einer Guido-Knopp NS-Doku, in welcher der Führer jeder Marie in den Topf guckt und alle Schnürsenkel ím Reich persönlich mit Namen kennt.

Schümer beschreibt die Geschichte also so, wie ein 18jähriger sich die mittelalterliche Welt vorstellt, nachdem er das erste Mal Eichingers wuchtigen Bombast-Kinofilm vom „Namen der Rose“ gesehen hat – nämlich ziemlich einseitig und naiv. Obwohl er wiederum mit enorm viel enzyklopädischem Wissen aufwartet. Insofern wäre es sicher besser gewesen, er hätte ein prosaisches Sachbuch über Meister Eckehardt und dessen Häretikerprozeß in Avignon geschrieben.

Das ist nun das Schöne an dem Roman: Der lokale Bezug. Der Einfall, den (viel zu wenig bekannten!) Mystiker aus Erfurt in den scheinbaren Mittelpunkt des Romans zu stellen, ist ein guter. Die deutsche Sichtweise auf die Sache ist ebenfalls erfreulich. Grandios, an Ecos Werk zeitlich unmittelbar anzuschließen, und also sogar dessen Hauptpersonen wieder auftreten zu lassen. William von Baskerville, William von Ockham, Michael von Cesena, Ubertin von Casale, Berhard Gui … alle wieder da! Doch der Autor kann sich nicht entscheiden, ob er Eco fortführt, oder ob er ihn lieber kopiert? Das ist durchweg ärgerlich und macht den ganzen schönen Einfall und Entwurf völlig kaputt. Einserseits setzt er also fort, wie gesagt, andererseits versucht er genau gleich Ecos Roman abzukupfern! Meister und Novize als die Guten, Papst und Inquistion als die sinistren Gegenspieler; der theologische Streit und die Machtspielchen als Hintergrund; ominöse Morde und uralte Handschriften, die plötzlich wieder auftauchen und um derentwillen gemordet wird hinter jeder Ecke. Dabei scheut sich Schürmer nicht, vereinzelt wortgetreu Sätze und Wendungen aus Ecos Roman zu übernehmen, ohne sie natürlich als solche zu kennzeichnen – schließlich ist es ja ein Roman, kein Geschichtsbuch. Das kann als Remineszenz eines Inspirierten gegenüber dem Original gelten, aber es paßt nicht und wirkt hier lustig, dort lächerlich. Weder sprachlich noch erzählerisch kommt der Autor an Ecos „Rose“ auch nur annähernd heran, obwohl er das erkennbar versucht. 

Und eben das ist peinlich: Weder souveräne Neuerzählung oder Abkopplung, noch angeglichene Weitererzählung oder gar Fortsetzung. Der Roman Schümers ist weder Fisch noch Fleisch. Hieße er irgendwie – vielleicht „Düstere Machenschaften in Avignon“ oder „Meister Eckerhardts Ketzerprozeß“ – gäbe es wenig Erwartungen, und die Meßlatte des historischen Durchschnittsromans für jedermann wäre hinreichend niedrig, um sie zu überspringen. So erkennbar, wie der Titel „Die schwarze Rose“ um den Vergleich mit Eco buhlt, muß er sich auch an ihm messen lassen. Dabei scheitert er kläglich.

Rein formal mißlungen und verständnishemmend ist übrigens die Modetorheit, keinerlei Anführungszeichen für Dialoge zu setzen: man rätselt daher als Leser unentwegt, wer was wann sagt?! Unschön für freiere und feinere Geister die ferner auch zwischen den Zeilen durchdringende Vermutung, daß der Autor (oder das Lektorat?) abolut nicht unabhängig vom irrlichternden Zeitgeist ist: Wenn der Erzähler viele Male hintereinander beispielsweise von „Schwarzen“ spricht, ohne auch nur wenigstens ein einziges Mal abzuwechseln zu den sicher seinerzeit zeitgemäßeren „Mohren“ oder „Negern“ oder sonstwie originelleren Synonymen, wähnt man rasch übermäßg politische Korrektheit. Die am allerwenigsten in einem historischen Roman etwas zu suchen hat! Wenig erstaunlich denn auch die Darstellung, daß die Juden und die Armen hier die braven Opfer markieren, und die Reichen und die „offiziellen“ Christen die Obskuranten.

Auch der sonstweg eher plump zu nennende Stil scheint unpassend; der Roman ist quasi „in leichter Sprache“ geschrieben. Die muß man zwar heutzutage überall befürchten, zuallerletzt aber bei einer Eco-Anlehnung! Sagen wir lieber: „Eco-Persiflage“; unwitzige und ungewollte.

Kurz: Eine Lesempfehlung nur für einfältige Gemüter ohne Eco-Erfahrung.

 

 

 

15. August 2025

[Philosophische Betrachtung] Die Medfux´sche Unbewußtheitsrelation!


Lieber Leser, ja Sie!,

sind Sie bereit für etwas wirklich Neues? Einzigartiges? Unerwartetes? Haben Sie eine wahre Alchemistenseele in sich, einen kleinen neugierigen Forscher, der eeendlich mal etwas noch nie Dagewesenes erleben will – und das ganz gefahrlos nur durch Lesen, gemütlich am Kamin mit einem Glas Dampf-Rotwein an der Hand, besser noch einem dunklen Schokoladenbier mit zartem Apfelsinenaroma? Ja?

Fein! Dann lesen Sie bitte weiter. Hier jetzt! Ich kombiniere im Folgenden zwei bekannte Dinge so raffiniert zu einem gelungenem Text, um nicht zu sagen einer Offenbahrung –  ich mische zwei herkömmliche Zutaten so gekonnt zu einem köstlichen und nahrhaften Soufflee – daß Sie höchste Bildung und feinste Unterhaltung in EINEM erhalten können. Und das auch noch gleichzeitig! (Nein, Sie brauchen mir nicht extra zu danken: Ist ja schließlich mein Beruf, wofür bin ich Dichter und Denker?)

Ja, es geht um echte Wissenschaft. Und es geht um Humor, dennoch. Ich beende hiermit endlich die staubtrockenen Zeiten, in denen entweder wahnsinnig ernste Mathematiker und Astrophysiker in ihrem Fachgebiet bierernst herumstochern und die darin enthaltenen staubtrockenen Wissenskörner herauspulen und ungesiebt auf den Tisch fallen lassen, oder selbsternannte Esoterikschrottverkäufer und angeblich mit aufgestiegenen Meistern in Verbindung stehende selbsternannte Heiler von ihren angeblichen Mystikerfahrungen überpathetisch schwadronieren – und Sie am Ende entweder nicht mehr wissen als das, was entweder bei Wikipedia zum Thema steht, oder überhaupt nichts begriffen haben. Und andererseits Komiker zwar witzig formulieren, aber dabei hautpsächlich nur alte Schläuche anbohren und Dünnporter austräufeln.

Fertig? Sind Sie soweit? Jetzt geht’s los! Anschnallen ist angesagt.

Es geht um die Heisenberg´sche Unschärferelation. Deren prägnanteste Aussage, salopp und volkstümlich formuliert, besagt, daß der Beobachter eines Experimentes den Ausgang eben dieses Experiments bereits selbst beeinflußt, ohne überhaupt einzugreifen: Schlichtweg nur durch seine Beobachtung. Das soll im engeren Sinne unseres Kameraden Heisenberg nur im Mikrokosmos so sein, auf Teilchenebene. Also in dem Bereich, den grundsätzlich keiner sehen kann, und der am heimischen Kamin oder in der Kneipe für niemanden eine Rolle spielt. 

Mag alles sein. Es ist ja auch leicht, scharfe Theorien zu formulieren über Bereiche, die eh keiner überprüfen kann. Noch dazu, wenn diese Nichtüberprüfbarkeit per se schon in der Behauptung selbst mit eingebaut ist, siehe Unschärferelation, nicht wahr?

Wir können jedoch bedenkenlos anhand eigener Lebenserfahrung und logischer Ableitung festellen, daß die Aussage jener „Unschärfe“ auch im Mesokosmos zutrifft. Also in unserer gewohnten und sichtbaren Umgebung auf Hutgröße. 

Nun …  ob SIE das so können, weiß ich nicht. Aber ich kann es. Und ich halte mit meinen Erkenntnissen natürlich nicht hinter dem (Heisen)Berg, sondern öffne die Schleusen meines universalen Wissens und flute großzügig und gratis mit den Wogen der Erkenntnis die Menschheit. Wenn ich schon mal in Form bin und nebenher die Dichtung revolutioniere. Also halten Sie sich nun fest an irgendwas Schwimmfähigem, bitte!

Also! Der Beobachter verändert laut unserem Nobelpreisträger Werner H. das zu Beobachtende. Immer. Beispiel: Selbstverständlich benehmen sich zwei junge Frauen unter der Dusche ganz anders, wenn ich sie dabei sichtlich beobachte, als wenn diese allein unter sich wären. (Und dabei habe ich noch nicht mal von Eingreifen ins Experiment gesprochen, was zu noch ganz anderen Ergebnissen führen würde, aber hallo!) 

Oder: Wenn Sie als Journalist oder Youtuber (oder wie diese ganzen Wichtigtuer heutzutage heißen) jemanden mit der Kamera bei irgend etwas Beliebigem porträtieren, tut der oft überhaupt nur Dinge, die ohne Beobachtung gar nicht stattfänden. Schalten Sie einfach die Glotze ein. Alles, aber auch alles, was da läuft, würde so überhaupt nicht stattfinden, gäbe es keinen, der es filmte. Und ja, ich rede hier selbstverständlich nicht von Fiktionalem, sondern angeblich Dokumentarischem. Und das Glühbier vor Ihnen auf dem Tisch, wo war es gerade eben noch? Jetzt ist es (hoffentlich) da. Aber wo war es gerade eben noch, als sie meinen fundamentalen Aussagen erstaunt und hingerissen lauschten?

Und jetzt kommt der Knüller! ACHTUNG! Klammern Sie sich bitte ganz fest! So fest, daß es fester nicht mehr geht - vielleicht am Busen einer drallen Sophie - andernfalls ertrinken sie unter der Flutwelle der nun formulierten Erkenntnis, die ich vorsichtshalber leicht untertreibend nur die „Medfux´sche Unbewußtseinsrelation“ nennen will: Das, was Sie beobachten - gleich was, gleich wo, gleich wie - findet überhaupt nicht statt, wenn sie nicht daran denken. Jawohl! Es findet gar nicht statt. Überhaupt nicht. Ist schlichtweg nicht da. Nirgends. Nitschewo njet. Njente, nada! Sie verändern es nicht etwa nur durch Ihr Denken und (dann) Beobachten, sondern Sie erschaffen es erst durch ihr Denken. Jawohl. Sie sind der Schöpfer des Ganzen. Jeglichen Experiments. Jeglichen Dings. Jeglicher Sache. Wahrlich.

Was, glauben Sie nicht? Ha! Schon haben Sie es damit bestätigt. Sie denken den Zweifel, schon ist er da. Sie denken an die angeblich unabhängig von ihnen bestehende Realität (oder das nun schon halbleere Glas), schon ist sie (oder es) also da. Zumindest in ihren Gedanken.

Widerlegen Sie das mal! Können Sie nicht, stimmt´s? Natürlich nicht. Bevor Sie etwas widerlegen wollen, müssen Sie erst dran denken. Sehen Sie, mein überaus praktisches Theorem, jeden Moment durch Bewußtheit beweisbar, ist völlig wasser- und malzdicht. Das habe ich natürlich absichtlich so gemacht, damit weder Sie noch irgendwer sonst gleich gedanklich aufweicht oder fortgerissen wird von der geistigen Monsterwelle. Oder irgendwer mal wieder zu diskutieren anfängt – ich bin es nämlich, ehrlich gesagt, leid, mit Schwachköpfen wie Ihnen über Offensichtliches zu disputieren. Schließlich versuche ich meinem Kater auch nicht beizubringen, wo man den günstigsten Schlemmerhappen mit Mäusegeschmack für ihn kauft, sondern stelle ihm den eben einfach hin, basta. Meinetwegen muß er ihn ja nicht fressen. 

Nebenher: Das Theorem geht klar über das hinaus, was eine sogenannte „Vermutung“ in der Mathematik ist, nämlich eine bis auf Weiteres oder die Unendlichkeit nicht überprüfbare Behauptung, die weder beweis- noch widerlegbar sei. Sowas wie die „Goldbach´sche Vermutung“, eines der 23 Hilbert´schen Probleme. Es ist nämlich unwiderlegbar beweisbar. Toll, oder?

Ich gebe zu, das war jetzt nur ein kleiner Einschub, mit dem ich etwas glänzen wollte. Kann man auch mal machen. Wenn ich dran denke, was sich sonst schon alles weglasse an Überragendem … und daß ich schon allein auf philosophischem Wege beweisen konnte, daß zumindest die > Existenz von Bielefeld keineswegs beweisbar sei, entgegen allen Vermutungen – und mir das Eine-Million-Preisgeld konsequenterweise auch nicht angewiesen wurde, weil offenbar kein echter Bielefelder existiert … na, egal. Wer angibt, hat mehr vom leben. Heißt es doch!

Nein, Sie müssen nicht vor mir auf die Knie gehen. Ich verabscheue Unterwürfigkeit. Auch dann nicht, wenn Sie gegen jede Annahme wirklich verstanden haben sollten, was ich meine. Ich bin es gewohnt, unverstanden und allenfalls belächelt zu sein. Was soll´s, Schopenhauer hatte auch nur einen Schüler, der ihn noch dazu mißverstanden hat – und Nietzsche nicht mal den.

Und ja, ich verzichte auch auf den Nobelpreis, sei es der für Physik für das Theorem oder in Sachen Literatur für meinen Kunstgriff der heiter fomulierten Wissenschaft. Auch der alternative Friedensnobelpreis für die endgültige Einigung von Materialismus und Idealismus darf an jemand anderen gehen. Wie wäre es mit Ihnen? Ja, Ihnen selbst?

Denken Sie halt ein bißchen drüber nach, lassen sie die staunenden Erkenntnisse ein wenig setzen und sich läutern, und posaunen Sie Ihre neuen Einsichten danach einfach in die Welt hinaus. In die, die sie sich vorher ausdenken. Am besten gleich eine mit verständigen Leuten – das zumindest können Sie ja gleich mal besser machen als ich. Damit hat´s auch wenigstens eine kleine Eigenleistung.

Auf Ihr Wohl! Ich gratuliere vorab, denn ich bin dann schon mal weg. Muß schlafen gehen.